Weiden, [undated]
Max Reger to Martin Boelitz
probably not before 20th April 1901, not after 30th April 1901
Only known from: Transcript, Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung, Karlsruhe | Ep. As. 813 (Druck aus Hase-Koehler)
- Max Reger
Sehr geehrter Herr!
Nehmen Sie meinen besten Dank für so liebenswürdige Zusendung Ihrer neuesten […]
die Änderungen beziehen Sie auf das Werk Die Nonnen op. 112, zu dem der Dichter Martin Boelitz (1874-1918) den Text schrieb; Vertonungen von Totenmarsch und Ich aber sage euch schrieb Reger nicht
(unvollständig, mit Textänderungen) Max Reger, Briefe eines deutschen Meisters. Ein Lebensbild, hrsg. von Else von Hase-Koehler, Leipzig 1928, S. 88f.
1.
Weiden, bayerische Oberpfalz, Allee 22,
Ende April 1901.Nehmen Sie meinen besten Dank für so liebenswürdige Zusendung Ihrer neuesten prachtvollen Dichtungen, mit welchen Sie mich so sehr erfreut haben; ich habe selbe schon genau angesehen, und werde daraus komponieren den „Totenmarsch“, „Ich aber sage euch“;1 ich werde da aber sicher noch mehr finden. Also nochmals besten Dank!
Herzlichsten Dank für die Änderung; aber verzeihen Sie meine Offenheit: die Änderung erreicht nicht das Original:
1. dumpfe Feierglocken
2. junge Mädchenlippen!
Zu av.2) es liegt mir viel an dem Ausdruck „junge Seelen“, der entschieden „idealer“ ist als junge Mädchenlippen!2
Und nun lachen Sie nicht, wenn ich, der ich nie in meinem Leben noch einen Vers machte, und auch nie einen „zusammenbringen“ werde wie ich Ihnen eine Änderung der 1. Strophe vorzuschlagen mir erlaube:
Wehmutsweiche Glocken schwingen
durch den kühlen Tempelhain
heiße, junge Seelen singen:
In die stille Nacht hinein.3
Sehn Sie, so wäre die wunderbare erste Fassung, auf die ich sehr viel Wert lege, conservierter, und ich denke sogar dumm und ungeschickt sind meine 2 Worte „wehmutsweiche Glocken“ und heiße „junge Seelen singen“ doch nicht! Gehen Sie einmal mit sich selbst zu Rate, ob Sie mit dieser meiner Änderung einverstanden sind; beraten Sie sich bitte auch mit Herrn Straube, den ich bestens zugrüßen bitte, ob nicht meine ganz bescheidentlich angebrachte Änderung Ihre Billigung finden kann! Sehr verbunden wäre ich Ihnen, wenn Sie mir recht balde Nachricht gäben, ob Sie mit meiner Änderung einverstanden sind.
Übrigens ein gehöriges Bravo, daß Sie in unserer „kapitalsschwangeren“ Zeit den Mut haben, soziale Gedichte zu schreiben! Auch gleich Ihnen bin ich der Ansicht, daß die „sogenannte soziale Gefahr“ größer ist, als wir eigentlich ahnen! — Warum soll denn ein so großer Prozentsatz der ganzen Menschheit für ewig vom Genusse der schönsten Lebensgüter, wie reine Kunst und reiner Lebensfreude, entfernt gehalten werden? Ich bin sogar der Ansicht, daß gegen die kommende soziale Revolution die französische vor 100 Jahren das reine Lustspiel war!
Zum Schlusse bitte ich freundlichst meine Schrift verzeihen zu wollen, allein ich schreibe so viele Noten immer, daß ich die Schrift nicht mehr kann; ich kann, ohne nicht Schreibkrampf zu riskieren, keine Feder mehr normal halten.
Nun, sehen Sie sich bitte meine vorgeschlagene Änderung an, u. mit den besten Grüßen u. nochmals herzlichstem Dank
Ihr ergebenster
Max Reger.
Hoffentlich findet meine Änderung Ihren Beifall, was mich sehr freuen würde.
Object reference
Max Reger to Martin Boelitz, Weiden, [undated], in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01009255.html, last check: 1st November 2024.
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