Bockwa bei Zwickau, 24th April 1933
Paul Gerhardt to Fritz Stein
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1.
Abschrift!
Bockwa bei Zwickau, 24.4.1933
Sehr verehrter Herr Professor!!
Mit dem zweibändigen „Nordischen Album“ [RWV Sinding-B1] war es eine gar böse Sache. R.[eger], dessen Orgelwerke ich – lange vor Str. – zuerst in Sachsen gespielt hatte, stellte sich als blinder Gefolgsmann Straubes immer mehr gegen mich u. verhinderte mit anderen Leipziger Geistern damals, daß ich als Nachfolger Homeyers wieder nach Leipzig berufen wurde. („Der kann sich die größte Mühe geben, der kommt nie wieder nach L.“ hat er in einer Unterrichtsstunde im Kons. vor seinen Schülern, darunter J. Haas, sich geäußert). Später, beeinflußt durch meinen damals in Kiel eine erste Rolle spielenden Schwager, den Kapitänsleutnant Fritz Brehmer, besann er sich wieder auf mich u. trug mir die „Mitarbeit“ an einem von Hansen, Kopenhagen für 1000 M in Auftrag gegebenen „Nordischen Orgelalbum“ an und bestellte mich an einem bestimmten Tag zu genauer Stunde nach Leipzig, Kaiser Wilhelmstr. Als ich mich daselbst einstellte, wurde ich nach langem Warten u. Klingeln von dem Dienstmädchen grob angewiesen: „der Herr müsse jetzt ausschlafen (nach einem großen Gelage) und könne mich nicht empfangen, ich möchte es am nächsten Tage versuchen. – Dafür also war ich extra nach L. gefahren!! Auf den Brief hin, den ich ihm dann schrieb u. der bisher noch in keiner Briefsammlung zu finden ist, suchte er unter faden Ausflüchten wieder einzulenken. Ich ließ mich mit durch Hansens Vermittlung bestimmen, die Arbeit doch noch zu übernehmen. Es handelte sich nur um nordische Verlagswerke Hansens, vielfach nur auf 2 Systemen, ohne dynamische – Phrasierungs – Register – usw. Bezeichnungen. Alles dies ist ausschließlich von mir, ich habe allein die ganze Arbeit (17 Jahre)1 gemacht, Auswahl aus ganzen Stößen mir von Hansen zugestellten Orgelnoten getroffen … sodaß das Album ganz nur das Gepräge meiner damaligen Orgelkunst trägt, während R. für 60 % der Summe (soweit ich mich besinne ) nur seinen Namen dazu gab.2 Infolgedessen hatte ich vor Beginn der Arbeit mit R. ausdrücklich schriftlich vereinbart, daß auf dem Titel mein Name an erster Stelle zu stehen hätte, was er mir selbst von sich aus schriftlich gegeben hatte. Als nun die Korrekturbogen an mich kamen, verlangte ich auch einen Abzug des Titelblatts, u. siehe da, Regers Name prangte groß zuerst in der Mitte u. der meinige stand klein unten in der rechten Ecke. Auf meine ruhige sachliche Zuschrift an R. mit Hinweis auf die s.Z. von ihm selbst mir mitgeteilte Titelanordnung, erhielt ich von ihm ein derart höhnisches Schreiben, daß ich empört die Korrekturen an Hansen mit der Bemerkung zurückschickte, er möge sie Herrn R. zustellen, damit dieser auch etwas an dem seinen prangenden Namen tragenden Album täte, und gleichzeitig erklärte, daß ich das Erscheinen des Werkes in Deutschland gerichtlich auf Grund von R.s eigener Handschrift solange verhindern würde, bis die Änderung des Titels erfolgt sei. Außer einem zweiten Ergusse R.s und einem Hinweis des Verlages auf die geringe Zugkraft meines Namens für die nordischen Länder erfolgte nichts: Das Album erschien nicht! Erst nach R.s Tod trat der Verlag mit der Bitte an mich heran, nochmals die s.Z. von R. (od. einem Schüler) besorgten unmöglichen Korrekturen zu lesen u. das Werk für Deutschland druckfertig zu machen. Da sah ich denn, daß das letzte Stück, das Andante a.d. Sindi[n]g’schen Klavierquintett op. 5 von R. (od. e. Schüler?) bearbeitet worden war. Somit sind 48 Bearbeitungen von mir u. 1 von R. Das Album erschien dann 1921 mit dem von mir gewünschten Titel. Kurz vorher hatte ich ein sonderbares Erlebnis: ich geriet in Schmalkalden zufällig in eine Spiritistensitzung mir völlig unbekannter Menschen – u.a. erschien da auch der Geist R.s, frappierend in Stimme u. Art der Rede, wandte sich an mich u. erklärte sich damit einverstanden, „daß mein Name auf dem Titel vor seinen gesetzt würde“! Was sagen Sie dazu? Ich bin kein Spiritist!
Besten Gruß von Ihrem erg.
gez. Paul Gerhardt.
NB. Wann führen Sie meine „Feste Burg“ mit Bläsern op. 15, mein Requiem, Orgel, Blasorch. u. Harfe op. 18, meine „Abendmusik“ (kl. Orchester) auf?
Object reference
Paul Gerhardt to Fritz Stein, Bockwa bei Zwickau, 24th April 1933, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01014059.html, version 4.0, 18th December 2025.
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