München, 4.–6. October 1904

Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn

Object type
Letter
Date
4.–6. October 1904 (source)
Sent location
München
Source location
DE,
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger 190

Senders
  • Max Reger
Recipients
Lauterbach & Kuhn
Leipzig
Rossstrasse 18

Incipit
Meine sehr geehrten Herren!
Also: anbei sende ich Ihnen per „eingeschriebenem Geschäftspapier“ […]

Regesta
4.10.: Zusendung der »8 Gesänge« [später: Zehn Gesänge] op. 83 • sollen schon im November erscheinen • erinnert an Sendung von op. 77a an Carl Halir • [Julius] Hey ist fasziniert von op. 81 und op. 86 • will sich bei Berliner Kritikern für die Werke stark machen • plant die Saison 1905/6 • bis dahin sollen Sinfonietta A-Dur op. 90, ein Henri Marteau versprochenes Violinkonzert und die Hiller-Variationen fertig sein • viele Winterkonzerte: »den Frack anziehen [...] u. die Finger „schmieren“« • Probe von op. 86 mit [August] Schmidt-Lindner für Konzert in München 5.10.: Fertigstellung der Korrekturen von op. 86 • bittet um fertige Drucke bis 20.10. • op. 83 soll in kleinen Partituren gedruckt werden • kündigt die Übersendung der Zehn Choralvorspiele op. 3 seines Schülers Joseph Haas an: »Keine Firlefanzmusik« • bittet, das Werk in Verlag zu nehmen • hat [Bernhard] Schuster wegen Kritik von op. 72 keinen Beschwerdebrief geschrieben • rechnet trotz Absetzung von [Bernhard] Stavenhagen nicht mit Berufung an Akademie der Tonkunst in München, Intrigen von Max Schillings und Ludwig Thuille sind der Grund • könnte Stelle an der Akademie ohnehin nicht mit Konzertieren in Einklang bringen 6.10.: erinnert den E. wiederholt daran, [Clara] Birgfeld zu Verlegung der Regerabends in Leipzig zu drängen • will mit ihr op. 86 spielen und mit [Julius] Klengel op. 78
Remarks

Brief wurde im Zeitraum vom 4.–6. 10. 1904 geschrieben und am 6. 10. 1904 zusammen mit dem eingeschriebenen Geschäftspapier abgeschickt; darin befanden sich: das Manuskript der 8 Männerchöre op. 83 sowie die Korrekturabzüge von op. 86

Referenced works
  • Ten songs for male voice choir op. 83
  • Sonate F-dur op. 78
  • Variationen und Fuge über ein Thema von Johann Sebastian Bach op. 81
  • Sonate C-dur op. 72
  • Serenade D-dur op. 77a
  • Violinkonzert A-dur op. 101
  • Variationen und Fuge über ein Thema von Johann Adam Hiller op. 100
  • Sinfonietta A-dur op. 90
  • Variationen und Fuge über ein Thema von Beethoven op. 86

Publications

Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 1 [1902–05], hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1993 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 12), S. 379–383

1.

[Gedruckter Briefkopf:]
Max Reger
München
Preysingstrasse 1bI.
München, den 4. Okt. 1904
Dienstag nachts!

Meine sehr geehrten Herren!

Also: anbei sende ich Ihnen per „eingeschriebenem Geschäftspapier“ meine 8 Gesänge für Männerchor op 83! Wenn Sie die „Liedlein“ umgehend in Stich geben u. es so einrichten, daß ich am 17. Oktober (nicht später!) die Correkturen habe, dann können die Chöre noch diesen Winter gesungen werden, da sie dann eben bequem am 1. November a.c. erscheinen können! Natürlich, wenn ich die Chöre noch früher als 17. Oktober (was wohl sehr leicht zu erreichen wäre durch entsprechende Beschleunigung) zur Korrektur erhalte, dann geht’s noch bequemer! Als Honorar schlage ich Ihnen in Dankbarkeit für das gestrichene Concertconto ein sehr bescheidenes vor: 430 Mark für alle 8 Chöre zusammen! Damit sind Sie wohl sicher einverstanden!

An Halir bitte nochmals dringendst: Partitur u. Stimmen meines op 77a baldigst zu senden, ebenso an Ossip Schnirlin.

Adressen: Halir, Berlin, W. Lietzenburgerstraße 46
Schnirlin, Berlin, W., Genthinerstraße 15 Gartenhaus!

Es ist doch zu famos, daß Halir am 23. Oktober op 77a macht u. er sich so reizend zu Concerten nächste Saison angeboten hat! op 74 macht er am 26. März! – Marteau u. W. Rehberg spielen op 72 am 21. Oktober in Berlin! Am 22. Oktober ist hier Uraufführung von op 86!

Am 30. November ist in München ein Abend mit: op 77a, op 77b, op 78 u. op 81! Na, was sagen Sie dazu! Gelt, wir drehen „feine Sachen!“

Der alte Prof. Hey ist von op 86 u. 81 so begeistert, daß er von beiden Werken ein Exemplar nehmen will, zu allen ihm bekannten Berliner Kritikern zu gehen u. ihnen diese Musik unter die Nase zu reiben! Am 1. Dezember spiele ich op 72 mit Marteau in München! In Mannheim kriegen wir ebenfalls mehrere Reger–Lieder! (vor Heidelberg! 13. Febr.)

Wenn die Sache so weiter geht u. die Sinfonietta op 90, das Concert für Violine u. Orchester (Marteau versprochen) und die Variationen über ein Thema von J.A. Hiller für kl. Orchester [op. 100] (ein unglaublich schönes Thema) erschienen sind, dann wird in der Saison 1905/1906 wohl kein Tag mehr vergehen, wo wir nicht eine Aufführung haben! Dazu die Männerchöre op 83! „Freude soll in deinen Werken sein“, op 83 No 8 muß als Doppelchor doch pompös wirken!

Wie oft ich diesen Winter den Frack anziehen muß u. die Finger „schmieren“, damit ich schönen Ton aus dem „Schlaginstrumente Klavier“ ziehen kann, das weiß ich nicht; aber schrecklich viel, schrecklich oft ist’s!

Op 86 haben Schmid–Lindner u. ich heute wieder geprobt; es klingt unglaublich! Am 22. Oktober werden wir die Münchener beglücken damit! Ob dann Schillings u. Thuille die Gelbsucht kriegen vor Neid? Schade, daß Sie nicht dabei sein können! Nun, muß ich schlafen gehen!

Soeben hab’ ich nach Wien geschrieben, um op 86 u. 77a durchzudrücken! Hoffentlich mit Erfolg!

Adieu bis morgen abend!

Mittwoch nachts!

Soeben bin ich auch mit den Korrekturen von op 86 fertig geworden; ich sende Ihnen selbe also mit den Männerchören op 83! Das Manuskript behalte ich noch etwas hier! Sie gebrauchen dasselbe jetzt doch nicht! In den Korrekturen von op 86 fehlt sehr wenig; also neuer Abzug nicht nötig! Sehr, sehr schön wäre es, wenn ich bis zum 20. Oktober spätestens 2 Exemplare (schon fertig gedruckt!) erhalten könnte; denn aus wirklichen Exemplaren spielt es sich doch besser als aus exemplarmäßigen Abzügen!

Nun noch eine dringendste Bitte: Nicht wahr, die Männerchöre op 83 werden Partitur und Stimmen in dem kleinen Format gedruckt, in dem Männerchöre a capella eben immer gestochen werden! Bitte, erfüllen Sie mir sicher diese Bitte! Es sind Gründe praktischer Natur, warum dies kleine Format da besser ist!

Sodann noch was: In den allernächsten Tagen wird Ihnen Herr Haas sein op 3 Zehn Choralvorspiele für die Orgel übersenden! Ich habe die Choralvorspiele alle durchgesehen u. gespielt; die Vorspiele sind gut, als op 3 sogar sehr gut! Keine Firlefanzmusik, sondern gute Orgelmusik! Es wäre sehr gut, wenn Sie dies op 3 in Verlag nehmen würden; nach Erscheinen desselben würde ich sorgen, daß sie bekannt werden, resp gute Kritiken darüber kommen! Also: seien Ihnen die Vorspiele aufs Beste empfohlen! Vielleicht zahlen Sie Herrn Haas für die 10 Vorspiele 50 M Honorar! Der Mann verdient wirklich auch eine solche Aufmunterung; er ist so sehr fleißig u. bescheiden!

Apropos: Den Brief an Schuster wegen op 72 (die betr. Kritik liegt bei diesem Briefe) hab’ ich nicht abgeschickt; es verlohnt sich nicht; ich merke mir diesen Fall aber natürlich! Ich bitte Sie: Schuster ist charakterlos – u. ein schlechter Musiker – na, warum sich nachher mit solchen Leuten wie S. u. Dr Altmann einlassen – meine Zeit ist mir zu gut dazu! Ich hab besseres zu thun! Es wird wohl bald die Zeit kommen, wo wir die Altmann’sche Kritik als Reklame für neue Werke benützen können! So z.B. die Kritik in Annoncen veröffentlichen! Das blamiert hinterher desto besser, wenn man hinzufügt: „Eine bessere Empfehlung der Werke Max Reger’s ist nicht möglich!“ oder ebenso etwas Ähnliches.

Hier kriselt es immer weiter; Stavenhagen ist glücklich abgesetzt! Aber: niemals wird man mich an die Akademie berufen – denn dafür haben Schillings, Tuille [sic], Stavenhagen zu gut gesorgt! Aber: es ist sogar nur gut, wenn ich nicht an dieses famose Institut berufen werde, denn dann könnte ich nichts mehr arbeiten, da man da schrecklich gebunden ist; vor Allem würde mein Spielen meiner Werke außerhalb sofort aufhören, denn man könnte u. würde mir niemals den Urlaub während des Winters geben! Also wäre das nichts! Da ich doch nach und nach immer mehr u. mehr auswärts spielen werde, (natürlich stets meine Werke) so wäre es also geradezu ein „saudummer“ Hemmschuh für mich, wenn ich da als Lehrer wirkte! Und wie gesagt: Schillings, Tuille etc haben so gründlich dafür gesorgt, daß ich da nie berufen werde!

Nämlich: ich hab so oft Gelegenheit, immer u. immer wieder „Spuren“ zu entdecken wo diese beiden Herren so „unendlich liebevoll“ gegen mich gewirkt haben, daß ich selbst sehr oft erstaunt bin, wie es denn überhaupt nur möglich ist, daß die 2 Herren sich nicht genieren;

Nun adieu! Morgen (Donnerstag schreibe ich dann weiter!) –

Donnerstag nachmittags!

Heute bin ich leider wieder ohne jede Nachricht von Ihnen! Heute (Donnerstag früh) gab ich „eingeschrieben“ an Sie auf: also die Männerchöre op 83 u. die Abzüge von op 86! Die dicke Rolle muß also schon in Ihren Händen sein! Heute abend werde ich versuchen, ob ich nicht durchdrücken kann, daß ich anschließend an Essen (6. Jan.) mein op 72 in Köln spiele; à discretion bitte! Wenn ich was erreiche, so gebe ich Ihnen sofort Nachricht! Am 12. Jan. ist op 72 in Zürich; ich spiele es!) Auch Lieder in Zürich am 12. Jan.

Nun: es ist möglich, daß Frl. Birgfeld ihren Abend auf 17. Nov. verschiebt; dann kann ich mitmachen; (op 86!) Frl. B. würde dann mit Professor Klengel mein op 78 spielen! Bitte, geben Sie also umgehendst ein Exemplar von op 78 an Frl. Birgfeld! Vielleicht können Sie der Dame, wenn Sie ihr das Exemplar von op 78 nicht schenken wollen, zum Händlerpreis überlassen! Aber umgehendst das besorgen!

Ich warte immer mit tollen Schmerzen auf die neuen Sachen! Haben Sie an Halir u. Schnirlin op 77a in Part. u. Stimmen gesandt? Wenn noch nicht geschehen, dann bitte ich dringendst es baldigst zu thun! Halir u. Schnirlin warten sehr darauf!

So, nun glaube ich alles geschrieben zu haben!

Viel schönste Grüße Ihnen beiden, meine sehr geehrten Herren, Frau Lauterbach, Herrn Oberjustizrath Kunze, Herrn und Frau Straube
Ihr treulichst ergebenster
Max Reger.

Bitte, geben Sie die Männerchöre op 83 umgehendst in Stich (kleines Format), damit ich am 16. Oktober spätestens die Korrekturen habe u. das Werk sicher am 31. Oktober erscheinen kann! Schönste Grüße!

Object reference

Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 4.–6. October 1904, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01008486.html, version 3.1.4, 2nd May 2025.

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