Weiden, 27th February 1900

Max Reger to Alexander Wilhelm Gottschalg, Urania

Object type
Letter
Date
27th February 1900 (source)
Sent location
Weiden
Source location
DE,
Meiningen,
Meininger Museen,
Sammlung Musikgeschichte/Max-Reger-Archiv,
Br 034/13

Senders
  • Max Reger

Incipit
Hochgeehrter Herr Professor!
Besten Dank für freundlichen Brief; Manuskript kam heute […]

Regesta
dankt für Rücksendung des Manuskripts [= Stichvorlage von Phantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46] • freut sich über positives Urteil des E. zu diesem »op. 46a« [später: op. 46] und bittet um eine kleine Vorankündigung der Komposition in Urania • bezeichnet die Sechs Trios »op 46b« [später: op. 47] als das »Gegentheil von dieser Bach=Phantasie« nämlich als »gar zahme Musik« • beschreibt seinen soliden Lebenswandel und bedauert, dass in Weiden fast kein kulturelles Leben stattfände • bekundet, gerne in eine größere Stadt umziehen zu wollen, was seine finanziellen Mittel jedoch nicht zulassen würden • erzählt, zudem noch einen Flügel abbezahlen zu müssen • klagt über Nichtbeachtung seiner Werke durch Publikum und Kollegen sowie die Vetternwirtschaft an den Konservatorien • stellt klar: »Und von jeher war es die beste Reklame, die ein Componist machen konnte, zu sterben« • erzählt, auf Zusendung seines op. 27 [Choralphantasie »Ein’ feste Burg ist unser Gott«] an Richter in Eisleben noch ohne Antwort zu sein • bedauert Modeerscheinungen in der Musik • berichtet, sich vergeblich um Aufführung eines seiner Orgelwerke beim Musikfest in Nürnberg bemüht zu haben • bittet um Zusendung von Belegexemplaren der Zeitschrift Urania
Remarks

Publications

Wilfried Jung, Der Künstlerbrief als Informationsquelle – am Beispiel Max Reger, Nürnberg 1970, S. 21 (auf 27. 2. 1901 datiert)

Max Reger, Briefe eines deutschen Meisters. Ein Lebensbild, hrsg. von Else von Hase-Koehler, Leipzig 1928, S. 87f. (ebenso auf 27. 2. 1901 datiert, mit Hinzufügungen aus dem Brief vom 16. 3. 1901)

1.

Weiden, bayerische Oberpfalz,
Allee 22, 27. II. 1900

2.

Hochgeehrter Herr Professor!
Besten Dank für freundlichen Brief; Manuskript kam heute wohlbehalten an; es freut mich sehr, wenn die BACH Phantasie [op. 46] Ihren Beifall gefunden hat. Wenn Sie in Urania unter „Notizen“ schon jetzt eine kleine Bemerkung über das Werk brächten, wäre Ihnen sehr dankbar. Selbstredend kommt der „Geheimrath“ auf die Widmung. Besten Dank dafür, daß Sie mich aufmerksam machten1; das Gegentheil von dieser Bach-Phantasie op 46a sind nun die 6 Trios op 46b [später: op. 47] für Orgel; das ist gar zahme Musik.
Wegen Überarbeitung seien Sie ganz außer Sorge; ich bin ganz gesund, u. bei solider Lebensweise halten meine Nerven schon etwas aus. Ich gehe hier nie abends in ein Restaurant; um 10 oder 11 Uhr spätestens bin ich zu Bette u. schlafe vorzüglich bis anderen Morgen 7 Uhr oder 8 Uhr. Meine einzige „Extravaganz“ sind 3 Cigarren täglich; (leichtester Sorte!) Ich denke, daß das Componieren erst richtig los gehen soll. Allerdings entbehre ich so sehr hier jeden künstlerischen Impuls; ich höre hier nie ein Concert, ein Orchester oder Theater, weil eben keines hier ist; das ist sehr bitter; allein zu meiner Übersiedlung in eine große Stadt, da reicht mein Portemonnaie nicht; überdies habe ich nun den Flügel, den ich in Raten abzahlen muß; also Grund genug zur Arbeit. Solange unser deutsches Publikum an meinen Sachen theilnahmslos vorübergeht, so lange meine Kollegen (mit wenigen rühmlichen Ausnahmen) meinen Werken nur Nichtachtung entgegenbringen, kann ich keine größeren Honorare erzielen. Und Stellung! Sie wissen selbst, wie sehr man auf „Vettern u. Basen“ da Rücksicht nimmt bei Besetzung von Stellen. In München werde ich nie an die Akademie als Lehrer kommen; da sind zu viele Herren, die eigentlich nichts geleistet haben, aber sich durch gesellschaftliche Connexionen eine Position geschaffen haben. Sie wissen selbst, mit welchem Mißtrauen man vom Staate aus einem Komponisten entgegentritt, der seinen Befähigungsnachweis als Musiker nicht in einer staatlichen Anstalt sich geholt hat. Außerdem gehöre ich keiner Partei an, welche mich eventuell ins Schleppthau nehmen würde. Es ist eben das alte Lied!
Unsere Virtuosen u. Sänger bringen ja fast „grundsätzlich“ nichts neues! Und von jeher war es die beste Reklame, die ein Componist machen konnte, zu sterben. Dies letztere habe ich aber noch lange nicht vor; zuerst muß noch viel u. viel geschaffen werden. An Herrn Richter in Eisleben (Volkskirchenkonzerte (N2 Urania) habe mein op 27 gesandt; natürlich bleibt man, obwohl ich liebenswürdigen, höflichen Brief dazu geschrieben habe, ohne Antwort.
In der Musik ist Mode ebenso herrschend wie im Leben; dagegen läßt es sich nicht ankämpfen. So z.B. habe ich alles versucht, daß bei dem Musikfest in Nürnberg (Juni 1900) ein Orgelwerk von mir gespielt wird; ich weiß, daß das Comité den betr. Herrn Organisten gebeten hat, etwas von mir zu spielen; ich glaube nicht, daß es Wirklichkeit wird; der Herr mag eben einfach nicht.
Nehmen Sie nochmals besten Dank für Alles
u. mit den besten Wünschen u. Grüßen

Ihr
mit vorzüglichster Hochachtung
u. steter herzlichster Dankbarkeit
ergebenster
Max Reger.

Meine abonnierte No 2 der Urania ist heute noch nicht da! Wenn Sie mir immer von den No, die etwas über mich enthalten, ein paar No senden wollten, wäre Ihnen sehr dankbar. denn Bestellung nützt bei Herrn Conrad nichts; er reagiert gar nicht darauf.


1
Vermutlich hatte Gottschalg den fehlenden Geheimrat-Titel des Widmungsträgers Josef Rheinberger auf dem Titelblatt der Stichvorlage nachgetragen.
Object reference

Max Reger to Alexander Wilhelm Gottschalg, Urania, Weiden, 27th February 1900, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01000962.html, last check: 29th April 2024.

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