München, 26th November 1903

Max Reger to Carl Lauterbach, Lauterbach & Kuhn

Object type
Letter
Date
26th November 1903 (source)
Sent location
München
Source location
DE,
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger 171

Senders
  • Max Reger

Incipit
Sehr geehrter Herr Lauterbach!
Bestätige Ihnen vor Allem bestens dankend den Empfang […]

Regesta
sendet Verlagsschein für Streichquartett d-Moll op. 74 • dankt E., dass dieser Stimmen bis zum 15. Dezember [für Aufführung] ausschreiben will • für Drucklegung nochmaliges Ausschreiben erforderlich • bittet für Partitur um Autographie-Druck wie bei Chören von Hugo Wolf • ist noch verstimmt über Verhalten des E. bezüglich der Beiträge zur Modulationslehre [Schriften A1], der sich auf Sachverständigen statt auf Reger verließ • verweist nachdrücklich auf den Erfolg des Buches, der dem E. nun entgeht • weiss, dass [Theodor] Streicher gegen seine Werke lästert • zeigt hingegen für Ablehnung des Gesangs der Verklärten [op. 71] Verständnis • kann Einladung der E. nach Leipzig diesmal nicht annehmen • dankt für Exemplare des Wiegenlieds [WoO VII/35] • weist auf Reger-Orgelabend in Lübeck hin • sendet Kritik zu op. 69 [Zehn Stücke] aus Urania • will Choralbearbeitungen zu kirchlichen Feiertagen schreiben • wird sich wegen Texten mit [Friedrich] Spitta in Verbindung setzen • Aufsatz Hugo Wolfs künstlerischer Nachlass [Schriften A3] bald fertig
Remarks

Publications

Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 1 [1902–05], hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1993 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 12), S. 242–246

1.

[Gedruckter Briefkopf:]
Max Reger
München
Preysingstrasse 1bI. München, den 26. Nov. 1903.

Sehr geehrter Herr Lauterbach!
Bestätige Ihnen vor Allem bestens dankend den Empfang der 300 M pro December; sodann liegt unterschrieben der Verlagsschein über mein op 74 bei; ich bin sehr erfreut, daß mein neuestes Streichquartett op 74 so sehr Ihren Beifall gefunden hat u. bin Ihnen aufs lebhafteste verbunden, daß Sie die Stimmen ausschreiben lassen wollen, daß ich Partitur und Stimmen am 15. Dec. sicher habe; ich vergleiche dann die Stimmen mit der Partitur u. sende Ihnen die Partitur sofort zurück; ich bedauere nur, daß dann die Stimmen für den Stich wahrscheinlich nochmals ausgeschrieben werden müssen; die Partitur bitte vielleicht autographieren zu lassen wie die Penthesileapartitur [RWV Wolf-H1] u. in dem Formate, das die Hugo Wolf-Chöre haben!
Ich bin Ihnen für frdl. Sendung der Artikel No der Leipziger Neuesten Nachricht herzlichst dankbar; der Artikel wird demnächst in noch mehr Zeitungen kommen; überhaupt stehen noch eine Masse von Aufsätzen über mich in ersten Zeitschriften aus!
Nun zu Ihrem Brief; Sie finden, daß meine Briefe zurückhaltender geworden sind – nun – ich bin aufrichtig, um Ihnen alles zu sagen.
S.Z. als ich Ihnen meine Modulationslehre [RWV Schriften A1] anbot u. Sie mehreremals dringendst darauf aufmerksam machte, daß das Büchlein sofort nach Erscheinen famos gehen würde, da glaubten Sie mir nicht, ließen Sich von dem Herrn Sachverständigen, der ja alles so ausgezeichnet versteht, bereden mir, das Buch zu retournieren! Dies hat mich sehr geärgert, denn gerade mit meinen „Beiträgen zur Modulationslehre“ wußte ich mit geradezu unfehlbarer Sicherheit, daß ich damit etwas gebe, das Ihnen ein kleines Vermögen bringt, Sie also brillant für manches meiner Werke, das nicht sofort nach Erscheinen geht, entschädigt hätte.
Thatsächlich hab’ ich nun wirklich glänzend Recht behalten, denn mein Büchlein ist anfang Oktober a.c. erschienen u. jetzt (also nach nicht 8 Wochen!) ist die 1. Auflage vergriffen; wenn Sie bedenken, daß über das Buch noch nicht eine Besprechung erschienen ist, so ist doch das ein buchhändlerischer Erfolg allerersten Ranges! Und diesen Erfolg hätte ich Ihnen in Anbetracht unseres Contraktes doch vor allem Ihnen gewünscht! Das Büchlein ist so leicht verständlich, selbst dem dümmsten meiner Schüler, einem patentierten Kamel geht die Geschichte tadellos ein – u. hab ich glänzend das Urtheil der Herren Sachverständigen, die da behaupteten [fehlt] geschlagen. Kurzum, es ist mir sehr leid, daß Sie das Büchlein nicht haben u. hat es mich sehr geärgert, daß s.Z. Sie meinen so dringenden Vortellungen, die ich doch – bitte lesen Sie meine Briefe aus der Zeit durch – nur in Ihrem Interesse machte, damit Sie das Buch erhalten – nicht glaubten, sondern den Herren Sachverständigen (obwohl ich seit 12 Jahren Theorieunterricht gebe –) – daraus mußte ich doch eine Mindereinschätzung meines Rathes Ihrerseits erblicken; das mußte mich doch ärgern, besonders, weil ich doch nur in Ihrem Interesse an Sie so dringendst schrieb u. Sie leider, leider mir keinen Glauben schenkten!
Daß ich natürlich nicht geringe Schadenfreude empfinde darüber, daß ich so sehr recht behalten habe, das darf Sie nicht wundern, bedauere aber auf das Lebhafteste, daß Sie das Buch nicht haben u. glaube ich, daß der jetzige Verleger dieses Buches sich nicht wenig freuen wird, daß er Ihnen das Büchlein weggeschnappt hat, u. hat mir der Herr die weitgehendsten Verlagsvorschläge gemacht, eben weil das Buch solchen Erfolg hatte!
Daß ich z.B. auch Herrn Streicher nicht böse bin, obwohl ich genau weiß, wie er u. in welch geradezu unanständigen Ausdrücken er meine Kunst verlästert – das ist Thatsache, da ich der Ansicht bin, daß Herr Streicher dies sein Benehmen d.h. sein Urtheil über mich dereinst vor dem Forum der Öffentlichkeit vertreten werden muß, da es schon zu sehr bekannt ist, welche Ausdrücke Herr Streicher für meine Kunst hat!1
Daß Sie mir meinen „Gesang der Verklärten“ [op. 71] zurückgesandt haben, hat mich nicht geärgert, denn Sie begründeten das damit, daß Sie als junge Firma das Werk in Folge seiner hohen Kosten nicht nehmen könnten! Was Sie mir schreiben, daß Ihre Freundschaft noch genau dieselbe ist, wie vor Jahr u. Tag, das glaube ich Ihnen ohne jede Versicherung, da auch meine Gefühle für Sie noch genau dieselben sind! Vertrauen Sie nur in Zukunft meinem Urtheil ein wenig mehr!
Und mein Satz, daß ich bitte, mich nicht für denjenigen zu halten, der Sie finanziell ausbeuten wollte, dieser Satz entsprang eben nur dem Gefühl, daß Sie trotz meiner Versicherungen betr. meiner Modulationslehre [RWV Schriften A1] den Herren Sachverständigen mehr glaubten als mir, wodurch ich auf den Gedanken kam, daß meine Ansicht Ihnen nicht so viel gelte. Deshalb auch mein oben erwähnter Satz; ich bin sehr froh, daß Sie nie diesen Gedanken von mir hegten.
Nun wegen unseres Kommens! Es ist so sehr liebenswürdig von Ihnen u. Ihrer sehr geehrten Frau Gemahlin uns einzuladen u. bitte ich Sie dringendst, es nicht als eine Unhöflichkeit unsererseits ansehen zu wollen, wenn wir diesmal keinen Gebrauch von Ihrer so großen Liebenswürdigkeit machen können, weil wir nur 1 Tag in Leipzig sind u. wir Ihnen wegen 1 Tag doch nicht so viel Scherereien machen wollen; wir kommen am 7. Dec. abends in Leipzig an u. fahren am 8. abends nach Berlin weiter! Wie gesagt, wir bitten Sie herzlichst, wenn wir diesesmal von Ihrer freundl., so liebenswürdigen Einladung nur wegen der Kürze unseres Aufenthaltes keinen Gebrauch machen können; denn es liegt wirklich nur an der Kürze unseres Aufenthaltes – deshalb uns nicht zu zürnen, da es wirklich nur an der Kürze unseres Aufenthaltes liegt; ferner bitten wir Sie, Ihrer sehr geehrten Frau Gemahlin dies zu sagen u. sie in unserm Namen zu bitten darüber nicht böse zu sein; die Zeit ist leider diesmal gar so knapp.
Sodann danke ich Ihnen schönstens für frdl. Sendung der Exemplare des Wiegenlieds [WoO VII/35], das Sie ja wie immer famos ausgestattet haben!
Am 22. Nov. war in Lübeck im Dom Orgelconcert mit nur Reger; die Kritiken hierüber sind glänzend. Anbei auch Kritik aus Urania über op 69; bitte selbe zu behalten.
Wie ich Herrn Dr. Kuhn schon sagte, beabsichtige ich ähnlich wie „vom Himmel hoch da komm ich her“ [WoO V/4 Nr. 1] in technisch leichtester Ausführung Choräle zu Pfingsten, Ostern, Erntefest, Totensonntag, Buß- und Bettag, Reformationsfest zu bearbeiten u. damit der ev. Kirchenmusik Werke zu geben, welche selbst der kleinste Ort zur Aufführung bringen kann! Damit ich überall die passenden Melodien wähle, werde ich mich mit Prof Spitta in Verbindung setzen, der mir darin wohl besten Rath ertheilen kann!
Mein Aufsatz über Hugo Wolf’s mus. Nachlaß [RWV Schriften A3] geht auch der Vollendung entgegen!
Es ist nun Zeit zum Schließen, denn viel, viel Arbeit gibt’s! Mit den besten Grüßen an Sie, Ihre sehr geehrte Frau Gemahlin, Herrn Oberamtsrichter Kunze, Herrn Dr Kuhn u. Straube u. Frau von meiner Frau u. mir
Ihr allzeit ergebenster
Max Reger.

Ich hoffe sehr, daß durch unsere offene Aussprache all das nun definitiv aus dem Wege geschafft ist, was zwischen uns getreten war, woran allerdings ich Ihnen in meinem Glauben, daß ich resp. mein Rath wegen Ablehnung der Modulationslehre [RWV Schriften A1] bei Ihnen minder hoch geachtet wird als früher, wohl mit unberechtigtem Mißtrauen mit Schuld war!

Object reference

Max Reger to Carl Lauterbach, Lauterbach & Kuhn, München, 26th November 1903, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01005519.html, last check: 6th May 2024.

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