Meiningen, 22nd March 1914

Max Reger to Max Friedlaender

Object type
Letter
Date
22nd March 1914 (source)
Sent location
Meiningen
Source location

Senders
  • Max Reger
Recipients

Incipit
Sehr geehrter Herr Geheimrat!
Ihren freundlichen Brief habe ich erhalten. Ich bedauere […]

Regesta
bleibt dabei, [am »Kaiserliederbuch« mit seinen Zwölf Chören WoO VI/26] nicht mehr mitarbeiten zu wollen • nennt im Einzelnen die Beanstandungen der Kommission an seinen Volksliedharmonisierungen, die er nicht akzeptieren könne • lehnt unter anderem ab, in seinem Lied Prinz Eugen (WoO VI/26 Nr. 3) Tenor und Bass unisono singen zu lassen • stichelt, gegenüber den »ausgezeichneten Literaturhistorikern« der Kommission einen musikalischen Standpunkt zu vertreten und schließt ironisch: »[...] in diesem Falle hat der Musiker Reger vor den Philologen zurückzutreten« • stellt in Aussicht, mit dem E. allein einmal ein Volksliedbuch herauszugeben
Remarks

es handelt sich um die von Reger bearbeiteten Zwölf Chöre WoO VI/26, Regers Beitrag zu einem von Kaiser Wilhelm II angeregten Volksliederbuch für gemischten Chor • als Reger bei Zusendung der ersten Korrekturfahnen (Nr. 1–5) für Harmonisierung und Stimmführung kritisiert worden war, behielt er diese und forderte auch die restlichen Manuskripte zurück • schließlich konnten die Bearbeitungen doch 1915 erscheinen


Publications

1.

[diktierter Brief]

Meiningen, 22. III. 14.

Sehr geehrter Herr Geheimrat!

Ihren freundlichen Brief habe ich erhalten. Ich bedauere sehr, trotz Ihres so liebenswürdigen Briefes doch auf meinem Standpunkt stehen bleiben zu müssen, trotzdem ich natürlich Ihnen persönlich jeden Gefallen erweisen würde.
Die Kommission [des Volksliederbuchs, siehe WoO VI/26], der Sie nicht angehören Ihrem Schreiben nach, hat bei meinen Bearbeitungen folgende Fälle beanstandet: 1.) „Auswandererlied“ eine Harmoniefolge (Tonika, 2. Oberdominante, Dominante); Sie finden diese Harmoniefolge im 1. Takt von Schuberts Lied „Litanei“ (komponiert August 1818, also bereits vor 100 Jahren). 2.) Im „Prinz Eugen, der edle Ritter“ schlägt die Kommission mir vor, stellenweise den Tenor und Baß unisono singen zu lassen, welcher Vorschlag durchaus meinen Anschauungen von einem reellen, vierstimmigen Chorsatz widerspricht. 3.) Die Kommission schlägt mir vor, in dem Lied „Lob der Freundschaft“ die Takteinteilung zu ändern, womit ich mich ebenfalls nicht befreunden kann. Bitte, vergleichen Sie die Ausgabe der deutschen Volkslieder von Brahms. 4.) Im „Rheinweinlied“ hat die Kommission mir einen Änderungsvorschlag gemacht, durch den ganz üble Stimmführungen entstehen; auch dürfte die Stelle sehr schlecht klingen.
Aus all dem habe ich die Überzeugung gewonnen, daß es für mich ganz untunlich ist, mit so ausgezeichneten Literarhistorikern in Konkurrenz treten zu wollen, da ich die Bearbeitungen nur vom musikalischen Standpunkt aus mache. Ich könnte jetzt auch nicht weitere Bearbeitungen machen, da ich in den nächsten Tagen nach dem Süden reise und mir alle Arbeit strengstens verboten ist. Ich bitte daher, daß Sie, sehr geehrter Herr Geheimrat, die Güte haben wollen, dafür zu sorgen, daß ich meine noch im Besitz der Kommission befindlichen Manuskripte baldigst zurückerhalte.
Glauben Sie mir: Ihnen persönlich tue ich jeden Gefallen; es würde mich sogar sehr freuen, wenn ich einmal Gelegenheit hätte, mit Ihnen allein zusammen ein Werk herausgeben zu dürfen; aber in diesem Falle hat der Musiker Reger vor den Philologen zurückzutreten. Genehmigen Sie den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung und die verehrungsvollsten Grüße
Ihres ergebensten
Reger.

Object reference

Max Reger to Max Friedlaender, Meiningen, 22nd March 1914, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01000103.html, last check: 8th December 2024.

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