Weiden, 13th May 1899

Max Reger to Anton A. Gloetzner

Object type
Letter
Date
13th May 1899 (source)
Sent location
Weiden
Source location
US,
Washington (D.C.),
Library of Congress,
Music Division,
ML 95. R44

Senders
  • Max Reger
Recipients

Incipit
Verehrtester Herr Glöetzner!
Soeben überraschte mich Ihr Frl. Schwester […]

Regesta
dankt für Aufführung des Klaviertrios op. 2 in Amerika • übersendet die Drucke von Novitäten: Humoresken op. 20, zwei Nummern aus op. 26 [Fantasiestücke], die Fünf Chopin-Studien [Chopin-B1], die Cellosonate op. 28, Walzer op. 22 und vier der [Fünf] ausgewählten Volkslieder für Männerchor [WoO VI/6] • bittet, die Männerchöre aufzuführen oder für eine Aufführung zu empfehlen • nennt die nicht bei Augener, sondern bei Aibl und Forberg erschienenen Werke • kündigt das baldige Erscheinen von op. 32 [Sieben Charakterstücke] an • bittet um Aufführung der Cellosonate op. 28 in der nächsten Saison • empfiehlt insbesondere die Humoresken op. 20 für den Unterricht, ebenso die Fünf Spezialstudien [Chopin-B1], »für sehr vorgeschrittene Schüler« • bittet, in Washington einen Musikalienhändler zu finden, der seine Werke vertreiben könnte • bekundet, die Manuskripte der Klavierstücke des E. noch zu besitzen und bedauert, damit bei keinem Verleger Interesse geweckt zu haben • gesteht, seine Kontakte zu den Verlagen Forberg und Aibl vor allem Richard Strauss zu verdanken • befürchtet, dass die musikalischen Berater der Verlage den Druck von Novitäten aus Eigeninteresse hintertreiben • bekundet, dass die Spezialstudien [Chopin-B1] nur durch persönlichen Kontakt zum Verlag Aibl gedruckt werden konnte • informiert, vom E. eine Romanze für Violine und Klavier zu besitzen • rät von einem Druck bei Breitkopf & Härtel ab, da dort zu viel beliebig gedruckt werde • kündigt die Komposition eines Klavierquartetts an • informiert über den guten Gesundheitszustand des Vaters des E. in Weiden
Remarks

Gloetzners Klavierstücke blieben – trotz Regers Einsatz für sie – erfolglos; Reger komponierte erst 1910 sein erstes veröffentlichtes Klavierquartett op. 113

Referenced works

Publications

Agnes Michalak, Max Reger Charakterstücke für Klavier zu zwei Händen, Karlsbad 2007, S. 42

Der junge Reger. Briefe und Dokumente vor 1900, hrsg. von Susanne Popp, Wiesbaden 2000 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts, Bd. XV), S. 409–411

Jurriaan Harold Meyer, Max Reger. Rezeption in Amerika. „Die amerikanischen Ohren sind doch etwa so gebaut wie die deutschen“, Bonn 1992 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 11), S. 145–147

1.

Weiden, Allee 22,
Oberpfalz Bayern, Germany
13. Mai 1899.

Verehrtester Herr Glöetzner [sic]!

Soeben überraschte mich Ihr Frl. Schwester mit einem Briefe von Ihnen u. einem Programm, laut dem Sie ja mein Trio op 2 machten.1 Ich beeile mich Ihnen hierfür besten u. herzlichsten Dank zu sagen. Sehr erfreut bin ich aus Ihrem Briefe „zwischen den Zeilen“ zu lesen, daß es Ihnen gut geht. „Ganz baff“ – wie man sagt, war ich aber, als ich das Programm las. Es ist das hocherfreuend für mich, daß Sie mein Trio machten u. sage ich Ihnen nochmals besten Dank.

Ich sende Ihnen nun heute als Drucksache 2 Kreuzbandsendungen (2 Rollen) u. enthalten dieselben einige neuere erschienene Kompositionen von mir. Es sind (5) Humoresken op 20, 2 Nummern aus op 26, (5) Chopinstudien für Klavier zu 2 Händen [Chopin-B1], Sonate für Violoncello u. Klavier op 28 u. Vierhändige Walzer [op. 22]. Außerdem lege ich Ihnen in die Walzer op 22 noch 4 Männerchöre, Bearbeitungen deutscher Volkslieder bei. Vielleicht dirigieren Sie selbst in Washington einen deutschen Männergesangsverein oder haben Sie einen Bekannten, der deutsche Männergesangsvereine dirigiert u. bitte ich Sie, den Herren die Chöre empfehlen zu wollen, damit sie dieselben machen. Wie Sie aus den Noten ersehen können, bin ich meinem englischen Verleger Augener ganz ungetreu worden. Einige Sachen wie (op 24 Six morceaux pour Piano, op 26 Fantasiestücke, op 27 Phantasie über den Choral: Ein feste Burg ist unser Gott“ u. op 29 Phantasie & Fuge (C moll) für Orgel (op 27 & 29) sind bei Rob. Forberg in Leipzig erschienen, während die anderen neuen Sachen alle bei Aibl sind. Sehen Sie sich bitte den Umschlag der Spezialstudien an (Rückseite) op 32 ist noch nicht erschienen; ich sende es Ihnen sogleich zu, sobald es erschienen ist; ich erwarte das Werk bis in 3 Wochen. Darf ich Sie nun bitten, die Cellosonate op 28 sich durchsehen zu wollen u. wäre ich Ihnen so sehr dankbar, wenn sie dieselbe vielleicht chste Concertsaison aufführten.

Von den Klaviersachen, von denen ich Ihnen leider von op 24 (R. Forberg, Leipzig – Six Morceaux pour Piano) kein Exemplar senden kann, bitte ich besonders die bei Aibl erschienenen empfehlen zu wollen. Ich denke z.B. op 20 (Die Humoresken) könnten Sie ganz gut zum Unterrichte verwerten, desgleichen die Spezialstudien, die allerdings nur für sehr vorgeschrittene Schüler zu verwerten sind. Könnten Sie nicht einen Musikalienhändler in Washington veranlassen, daß er meine bei Aibl in München erschienenen u. erscheinenden Sachen zulegt. Das wäre famos. Und denke ich daß besonders Sie doch für Ihre Schüler u. Schülerinnen für meine opera, 20 22 32 (das ich Ihnen balde sende) u. die Studien [Chopin-B1] Verwendung haben. Bitte, erfüllen Sie mir meine Wünsche u. Bitten in dieser Beziehung!

Ihre Klavierstücke sind immer noch bei mir; ich sende sie an die von Ihnen angegebene Adresse. Leider habe ich keinen Verleger dafür zu interessieren gewußt u. gekonnt. Ihre Stücke sind nicht leicht u. da beißen die Verleger nicht gerne an; wenn ich z.B. einen Namen hätte wie R. Strauß, so wäre es ein Leichtes – aber so kann ich Ihnen leider da gar nichts nützen. Ich selbst hatte vor 3/4 Jahren als mein Bruch mit Augener stattfand, lange Zeit zu thun, ehe ich bei Forberg u. speziell nun bei Aibl landete u. habe ich es hauptsächlich der Empfehlung von R. Strauß zu verdanken. Die Verleger zögern eben so lange einen „neuen Komponistennamen“ einzuführen; die Leute werden in Deutschland ganz schrecklich überlaufen u. da sind sie zu sehr zurückhaltend geworden. Ich selbst finde Ihre Stücke sehr gut u. sehr fein im Klaviersatz, aber das kann man 100000 x einem Verleger sagen – man erhält immer zur Antwort: „Wer soll die Sachen kaufen, wenn sie nicht leicht sind.“

Es ist ein Elend. Steht man mit einem Hause in solcher Verbindung, daß der betreffende Inhaber die Manuskripte von einem nicht mehr an seine musikalischen Beiräthe gibt, sondern einem schon so viel Vertrauen selbst entgegenbringt, dann wird man auch schwerere Sachen los – aber wenn er die Sachen zuerst den Herren gibt, dann ist gewöhnlich schon alles perdu; diese Herren, die in den allermeisten Fällen Ignoranten sind, dabei aber selbst natürlich fleißigst komponieren u. ihren Schund an die betreffende Firma theuer verkaufen, lassen einen „Neuen“ nicht gerne hinein. So bin ich z.B. überzeugt, daß ich mit meinen soeben erschienenen 5 Spezialstudien für Klavier [Chopin-B1] (Sie erhalten dieselben mit diesem Briefe in der einen Rolle) zu sämtlichen deutschen Verlegern hätte gehen können – u. wäre sie doch nie los geworden, geschweige denn einer hätte mir nur einen Groschen Honorar bezahlt, wenn ich nicht mit Aibl selbst gut bekannt wäre. Der nahm sie allerdings ungesehen. Aber bis man mit einem Verleger so steht!

Ihre Romanze für Violine & Pianoforte (Breitkopf & Härtel) habe ich; selbe gefällt mir sehr gut. Ich rathe Ihnen aber nicht bei Breitkopf herauszugeben, weil die Sachen bei der geradezu ungeheueren Menge von Musik, die diese Firma monatlich druckt, einfach verschwinden müssen. Da ist eine Firma die wenig druckt besser; diese kann ihre einzelnen Sachen viel eher goustieren [sic].

Ich bin seit 1 Jahr fast zu Hause u. habe mich jetzt ganz erholt; nach Ableistung meiner Militärzeit (1896–1897) erkrankte ich. Schon oft wollte ich Ihnen schreiben; aber stets kam etwas dazwischen; aber heute geschieht es u. wie Sie sehen gleich ausführlich.

Neue Kammermusikwerke habe ich augenblicklich außer der Cellosonate [op. 28], die Sie mit diesem Briefe erhalten, nicht. In der nächsten Zeit hoffe ich zu einem Klavierquartett zu kommen. Es wird da aber sicher Oktober bis es erscheint.

Ihr Herr Vater ist jetzt wieder wohler; ich begegnete ihm gestern u. sieht er sehr gut aus.

Sehr freuen würde es mich, wenn Sie balde mich mit einigen Zeilen überraschen würden. Hoffentlich gefallen Ihnen die Noten, die ich Ihnen mit diesem Brief sende. Und nochmals bitte ich Sie, die neuen Sachen bei Aibl als Unterrichtsmaterial zu benützen; am besten wäre es, wenn Sie einen Musikalienhändler in Washington so für die Sachen zu interessieren wüßten, daß er sich die bei Aibl erschienenen zulegt.

Nun hab ich Sie wohl recht lange aufgehalten. Ein etwas schlechtes Gewissen hab ich schon, da ich Ihnen während meiner Dienstzeit beim Militär als Einjährig-Freiwilliger nicht schrieb; aber da war man froh, wenn man abends sich schlafen legen konnte. Seien Sie also nicht böse darüber; ich verspreche von nun an ein sehr fleißiger Briefschreiber zu sein.

Mit der Bitte um Erfüllung meiner oben geschriebenen Anliegen u. um baldige Nachricht
Ihr
Sie bestens grüßender
mit nochmaligem besten
Dank
ergebenster
Max Reger

Meine Eltern u. Schwester lassen sich Ihnen bestens empfehlen.


1
Konzert vom 16. März 1899 in Washington, Universalist Church.
Object reference

Max Reger to Anton A. Gloetzner, Weiden, 13th May 1899, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01006531.html, version 3.1.4, 2nd May 2025.

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