Weiden, 20th November 1899

Max Reger to Theodor Helm

Object type
Letter
Date
20th November 1899 (source)
Sent location
Weiden
Source location
missing

Senders
  • Max Reger
Recipients
Theodor
Helm

Incipit

Regesta
dankt für die Besprechung der zwei Humoresken [aus op. 20], die Frl. Kerndl am 16. November in Wien spielte • sendet dem E. einige Novitäten, darunter Phantasie und Fuge [c-Moll] op. 29, und bittet um Durchsicht • hat leider keine Restexemplare der Humoresken und der Charakterstücke [op. 32] mehr • weist auf ein op. 29 beigelegtes Verzeichnis seiner Werke hin • bietet dem E. an, ihm in Zukunft Novitäten zuzusenden, darunter die bald erscheinende Orgelsonate fis-Moll [op. 33] • noch ungedruckt sind die Opera 38a [38], 38b [39], 39 [41], 40 [Nr. 1], 41 [42], 42 [43] sowie 43 [45], hofft, diese Werke bald an Aibl verkaufen zu können • äußert sich positiv über Berichte des E. aus Wien im Musikalischen Wochenblatt und freut sich über den Einsatz des E. für Anton Bruckner • hat sich auf Empfehlung des E. mit den Klavierkompositionen von [Max] Jentsch befasst »und gefallen mir selbe sehr gut« • betont, mit Blick auf Bruckner, Brahms und Strauss, dass Musik »nicht Parteisache« sein sollte, »sondern ein geistiges Band – das eigentlich alle Gebildeten aller Nationen [...] in christlicher Liebe’ umspannen sollte« • betont die Verantwortung der »großen Virtuosen, großen Konzertinstitute[n]« zur Geschmacksbildung
Remarks

Publications

Der junge Reger. Briefe und Dokumente vor 1900, hrsg. von Susanne Popp, Wiesbaden 2000 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts, Bd. XV), S. 465f.

Der Merker 7/15/16 (1916), S. 544f.

1.

Weiden, bayerische Oberpfalz,
Allee 22, 20. November 1899.

2.

Hochgeehrter Herr Doktor!

Gestatten Sie vorerst den Ausdruck meines verbindlichsten Dankes für die so gütige Besprechung meiner zwei kleinen Humoresken, welche Fräulein Kerndl am 16. November in Wien spielte. Es hat mich diese Ihre so liebenswürdige Anerkennung so sehr erfreut. Ich erlaube mir nun, Ihnen mit diesem Brief einige vor kurzem erschienene Werke per Kreuzband zu senden und Sie um gütige Du[r]chsicht der Noten zu bitten. Leider besitze besitze ich von den Humoresken op. 20 und sieben Charakterstücken (op. 32), aus welch beiden Werken Fräulein Kerndl die zwei Nummern (op. 20, Nr. 1, op. 32, Nr. 6) spielte, nicht ein einziges Exemplar mehr, sonst hätte (– ich –) sie Ihnen gesendet. Ein in die Phantasie op. 29 beigelegtes Verzeichnis enthält alle bisher veröffentlichten, teils wie op. 33 bis 37 in Kürze erscheinenden „Verbrechen meiner Feder“. Wenn Sie es interessiert und es gütigst erlauben, werde ich mir ein großes Vergnügen daraus machen, Ihnen in Zukunft die Sachen zuzusenden. Von meinen Orgelsachen (op. 27, Phantasie über „Ein’ feste Burg ist unser Gott“, op. 29, Phantasiefuge, op. 30, Phantasie über „Freu’ dich sehr, o meine Seele!“) besitze ich nur mehr op. 29, welches ich Ihnen mit diesem Brief sende. In Bälde erscheint meine erste Orgelsonate (Fis-Moll) [op. 33] und sehe ich nun Ihrer gütigen Erlaubnis entgegen, Ihnen das Werk sofort nach Erscheinen zusenden zu dürfen. Manuskript sind jetzt op. [3]8a, sieben Männerchöre, op. 38b [später: op. 39], drei Chöre für sechsstimmigen gemischten Chor, op. 39 [später: op. 41], Sonate A-Dur für Violine und Pianoforte, op. 40 [Nr. 1], Phantasie für Orgel über „Wie schön leuchtet uns der Morgenstern“, op. 41 [später: op. 42], vier Sonaten für die Violine (Allein), op. 42 [später: op. 43], acht Lieder, op. 43 [später: op. 45], Intermezzi für Klavier, doch hoffe ich, diese Manuskripte in Bälde ebenfalls verkauft zu haben, und zwar an Herrn Aubl [Aibl], Verlag in München.

Mit größtem Interesse las ich stets Ihren so hochinteressanten Bericht aus Wien im Musikalischen Wochenblatt und freute mich besonders Ihr so begeistertes Eintreten für A. Bruckner.

Auch von den Klavierkompositionen M[ax] Jentsch’ habe ich auf Ihre Empfehlung hin (im Musikalischen Wochenblatt) Kenntnis genommen und gefallen mir selbe sehr gut.

Mir ist es rätselhaft, wie oft sogar gute Musiker aus Parteigründen gegen einen Komponisten sich sträuben, wie es doch bei dem so hochbedeutenden A. Bruckner der Fall war. Es ist das so tief bedauerlich – die Musik ist doch nicht Parteisache, sondern ein geistiges Band – das eigentlich alle Gebildeten aller Nationen (mit wohlberechtigter Wahrung des jeweiligen nationalen Gepräges, in christlicher Liebe’ umspannen sollte. Statt dessen wird oft leider recht viel Parteigezänk getrieben.

Ist schon „konservativ“ sein aus Denk- und anderer Faulheit oft recht bedauerlich, so ist aber noch bedauerlicher Parteiwesen. A. Bruckner, J. Brahms, R. Strauß, jeder dieser drei Meister hat uns in seiner Art so viel des Unvergänglichen und Schönen geschenkt, warum sich nun gerade einbilden, alle Musik müßte nach einer bestimmten „Schablone“ sein. Es führen so viele Wege nach Rom – und leider ist da A. Bruckner gegenüber so viel und viel gesündigt worden.

Und wer soll denn solche Werke vorführen, wenn es unsere großen Virtuosen, großen Konzertinstitute nicht tun! Das Publikum schläft gar zu gern! Da müßte gerade vonseite der kompetentesten Leute energisch eingegriffen werden. Wie traurig ist zum Beispiel die Tatsache, daß J. Nicodé in Dresden seine so famosen Konzerte, in denen er Bruckner brachte, aufgeben muß! Sollte die Teilnahmslosigkeit des Publikums da schließlich nicht auch von „Gegenminen“ etwa herrühren! Haben Sie daher nochmals besten Dank für Ihr stets so begeistertes Eintreten für den leider verewigten A. Bruckner! Sehr freuen würde es mich, wenn Sie mir Ihr hochgeschätztes Urteil über die mit diesem Brief an Sie abgehenden Noten mitteilen wollten und mir sodann die Erlaubnis erteilten, Ihnen in Zukunft die Sachen senden zu dürfen.

Mit der Bitte um gütige Nachricht und nochmals herzlichsten Dank
Ihr mit ganz vorzüglichster Hochachtung ergebenster
Max Reger.

Object reference

Max Reger to Theodor Helm, Weiden, 20th November 1899, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01009793.html, last check: 27th July 2024.

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