Weiden, 16th April 1900

Max Reger to Alexander Wilhelm Gottschalg, Urania

Object type
Letter
Date
16th April 1900 (source)
Sent location
Weiden
Source location
DE,
Meiningen,
Meininger Museen,
Sammlung Musikgeschichte/Max-Reger-Archiv,
Br 034/8

Senders
  • Max Reger

Incipit
Hochgeehrter Herr Professor!
Vielen Dank für freundl. Brief. Die Phantasie: Wie schön […]

Regesta
kündigt das baldige Erscheinen der Choralphantasien »Wie schön leucht’t uns der Morgenstern« [op. 40 Nr. 1] und »Straf mich nicht in Deinem Zorn« [op. 40 Nr. 2] bei Aibl an: »Die Correkturen habe ich schon erledigt« • kündigt an, dem E. auch die Opera 39, 41, 42, 43, 44, deren Korrekturen schon erledigt seien, sogleich nach Erscheinen zuzusenden • ärgert sich darüber, dass der Organist Oechsler beim Musikfest in Nürnberg kein Werk von ihm spielen möchte, obwohl er ihm sogar eine Widmung angeboten habe • bekundet, dass Oechsler verbreitet habe, dass er »bezweifelte, ob die Reger’schen Orgelwerke es wert sind, daß man sie studierte!« • ist dankbar, dass Straube im nächsten Winter ein ausschließlich seinen Werken gewidmetes Orgelkonzert geben möchte und lobt dessen einzigartiges Engagement für sein Werk • nennt bereits das Programm des Konzerts • sendet Kritiken zu • berichtet, in den nächsten Tagen die Sechs Intermezzi op. 45, die Phantasie und Fuge über B-A-C-H »op. 46a « [später: op. 46], die Sechs Trios »op 46b« [später: op. 47], die Sieben Lieder »op. 47« [später: op. 48], die Zwölf deutschen geistlichen Gesänge [WoO VI/13], die Sieben geistlichen Volkslieder [WoO VI/14] sowie für Klavier bearbeitete Bach’sche Choralvorspiele [Bach-B4] an Aibl zu senden • berichtet ferner, für den Verlag Hugo eine Sammlung von Madrigalen für Männerchor zu bearbeiten [= Zwölf Madrigale Madrigale-B2] • fragt den E., ob er die Rezensionen seiner Opera 29 [Phantasie und Fuge] und 33 [Orgelsonate fis-Moll] in der Monatschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst gelesen habe • gesteht, zur Schulzeit »ein arger Bösewicht« gewesen zu sein • droht damit, »ein Orgelconcert mit großem Orchester« zu schreiben [WoO I/7] • vermisst in Weiden ein kulturelles Leben • glaubt nicht daran, eine Stellung in München an der Akademie zu bekommen, da er dort nur Feinde habe • würde gerne in Urania ein Choralvorspiel als Beilage bringen
Remarks

das angekündigte Orgelkonzert WoO I/7 blieb schließlich Fragment


Publications

Wilfried Jung, Der Künstlerbrief als Informationsquelle – am Beispiel Max Reger, Nürnberg 1970, S. 21

1.

Weiden, bayerische Oberpfalz,
Allee 22, 16. IV. 1900

2.

Hochgeehrter Herr Professor!

Vielen Dank für freundl. Brief. Die Phantasie: Wie schön leucht't uns der Morgenstern erscheint zusammen mit der Phantasie “Straf mich nicht in Deinem Zorn!” also op 40 (No 1 & 2 ) balde bei Aibl. Die Correkturen habe ich schon erledigt; bis in 5 Wochen hoffe ich Ihnen die beiden Phantasien senden zu können; auch die übrigen opera 39, 41, 42, 43, 44. hoffe ich Ihnen balde übermitteln zu können, da auch hiervon schon die Korrekturen erledigt sind. Sie erhalten alles sofort nach Erscheinen u. bitte ich für Alles jetzt schon um freundliche Besprechung!
Ich schrieb Ihnen doch, daß das Comité des diesjährigen Musikfestes zu Nürnberg Herrn Prof. Oechsler in Erlangen gebeten hat, ein Werk von mir (Orgel) zu spielen; wenn Sie Sich erinnern, so bezweifelte ich Ihnen gegenüber schon damals, daß aus der Sache etwas wird. Nun ich habe mit meinem Zweifel Recht behalten. Ich bot Herrn Oechsler sogar an, ihm ein neues Orgelwerk zu dedicieren, wenn er etwas spielt – er hatte op 27, 29, 30, 33 (also alles was jetzt an Orgelwerken erschienen!) Allein alles umsonst! Mir schrieb er, daß in dem betreff. Concerte keine Zeit wäre, längere Sachen zu spielen – aber zu einem andern Herrn (Vikar, augenblicklich hier) sagte er: daß er (Prof. Oechsler) es bezweifelte, ob die Reger’schen Orgelwerke es wert sind, daß man sie studierte! 1 – Ich denke ein Kommentar zu diesem Urtheil ist, überflüssig; ich bin gewiß nicht arrogant – aber aus diesem Urtheil kann ich nur entnehmen, daß Herr Oechsler meine Sachen gar nicht begreift u. – auch nicht spielen kann!

Nun wird Herr Straube nächsten Winter in München (Kaisersaal) ein Orgelkonzert geben wo er nur Reger spielt, mit folgendem Programm! op 27, 33, 40 (No II) 46 a (Bach Phant.) & 40 (No I.) Herr Straube ist wirklich ein ganz eminenter Orgelvirtuose u. ebenso guter Musiker; ich bin ihm zu viel Dank verpflichtet! Er ist von ausübenden Orgelspielern bis jetzt derjenige, der mit wahrem Feuereifer dieselben übt; er beherrscht sie aber auch dementsprechend. Ich gestatte mir, Ihnen Herrn Straube nochmals angelegentlichst zu empfehlen u. Ihnen mit diesem Briefe per +Band einige Kritiken über ihn zu senden!

Nun habe ich soeben mit Herrn Spitzweg (Aibl) wieder über folgende neue Werke abgeschlossen:
op 45 Intermezzi für Klavier zu 2 Händen
op 46 a Phantasie & Fuge für Orgel über Bach
op 46 b Sechs Trios für die Orgel.
op 47 Sieben Lieder.
ohne Opuszahl: a.) Deutsche geistliche Gesänge für 4–8stimmigen, gemischten Chor bearbeitet, b.) Sieben geistliche Volkslieder für gemischten Chor bearbeitet: c.) Ausgewählte Choralvorspiele von J.S.Bach für Klavier zu 2 Händen übertragen.
Dies alles wandert in den nächsten Tagen nach München. Sodann werde ich für den Verlag Gebrüder Hug in Leipzig eine kleinere Sammlung von Madrigalen für Männcherchor bearbeiten. (Die Herren Hug ersuchten mich darum!) Ist dies erledigt so geht es wieder frisch übers Componieren.

Auf No 4 der Urania freue ich mich schon sehr – u. seien Sie nur nicht böse, wenn ich Sie bitte mir deren einige Exemplare zu senden; nämlich von Herrn Conrad kann man trotz dringendster, mehrmaliger Bestellung nichts erhalten! Der Herr ist mir ein Räthsel!

Haben Sie die Besprechung meiner opera 29 & 33 in Monatschrift für Gottesdienst & kirchliche Kunst (Aprilheft) gelesen?
Es ist recht unangenehm, daß sich Hr.Oechsler so abweisend meinen Sachen gegenüberstellt - allein auf dieses Urtheil hin, kann ich nicht nochmals bitten! Allein, es war u. ist mir schon längst klar, daß ich mit meinen sämtlichen Werken arg zu kämpfen haben werde.
Es ist doch nicht notwendig, daß alle gleich schreiben; aber wenn man nun um “eine Idee” über das Althergebrachte hinausgeht, so wollen die Herrn Kollegen nicht mehr mit! Ich lasse mich nicht beirren - werde im Gegentheil meinen Weg weitergehen! Es kommt sogar noch ein Orgelconcert mit großem Orchester - zum Entsetzen von manchen!
Also einen Schulfreund von mir haben Sie kennen gelernt! Na, der wird Ihnen schöne Dinge von mir erzählt haben, denn ich war auf der Schule ein arger Bösewicht, hätte ganz gut zu W.Busch's unsterblichem “Max & Moritz” Modell stehen können - u. bin auch jetzt noch zu fidelen Streichen aufgelegt. (nicht immer!) Ich habe das bekannte Wort in: Ernst ist die Kunst, heiter das Leben umgedreht - u. hilft einem ein guter Humor über manches hinweg. Besten Dank für die gültige Empfehlung meiner Werke in pädagogischem Jahresbericht!
Nun hätte ich für heute alles Neue erzählt! Hier kommt ja nichts vor; sehr entbehre ich den Mangel an jeglicher Musik, Theater etc. Allein ich muß mich eben vertrösten; das ist mir aber schon längst klar geworden, daß ich in Bayern niemalseine nur einigermaßen annehmbare Stellung bekomme, da ich in der Akademie in München gar keine Freunde - nur Gegner habe! Weshalb die Herren mir feindlich gesinnt sind, weiß ich nicht; ich habe ihnen allen zusammen nicht das Geringste in Weg gelegt!

Nun noch die besten Wünsche für Ihr Wohlergehen u. die herzlichsten Grüße
Ihres
mit vorzüglichster Hochachtung
und schönster Dankbarkeit
ergebenster Max Reger

Nicht wahr von No 4 senden Sie mir einige Exemplare; von Herrn Conrad kann man sie mit bestem Willen keine erhalten!
Besten Dank im Voraus!
Würden Sie in Urania nicht mal ein Choralvorspiel von mir als Beilage bringen? Es versteht sich, daß ich das Vorspiel dem Herrn Verleger vollständig gratis überlasse. Bitte, gelegentlich darüber eine Antwort!

3.

–––––––––––––––––
Alexander Wilhelm Gottschalg

4. Nachweise

1
1

1
Das Wort “wert” ist im Original dreifach unterstrichen.
Object reference

Max Reger to Alexander Wilhelm Gottschalg, Urania, Weiden, 16th April 1900, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01000963.html, last check: 27th July 2024.

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