Margaret von Seydewitz

Correspondence, Lyricist

Gender
female
Profession
writer
Birth
29th November 1871
Death
27th March 1960
MRI-Identifier
mri_pers_01514

Name
Marie Anna Sophie Margaret von Seydewitz
Used Name
Margaret von Seydewitz

References to Reger
    Correspondence, Lyricist
References to others

1.

1.1.

Margaret von Seydewitz in  (1917); Fotoalbum Elsa Regers, Max-Reger-Institut, Karlsruhe.
Margaret von Seydewitz in Kriegsopfer (1917); Fotoalbum Elsa Regers, Max-Reger-Institut, Karlsruhe.

Die Baroness Margaret von Seydewitz wurde am 29. November 1871 als Tochter des Arztes und Journalisten Paul Wilhelm von Seydewitz (*1828) und dessen Frau Antonie Sophie Marie (*1842) in Islington/London geboren; getauft wurde sie jedoch erst am 27. April 1890 im nordenglischen Thimbleby. Ihr Zwillingsbruder John Paul starb vermutlich bereits 1879/1880.1 Der Vater verließ die Familie spätestens in den frühen 1880er-Jahren, um sich in New Orleans niederzulassen, wo er am 15. März 1901 starb.2 Mutter und Tochter reisten wohl häufig auf den Kontinent, zuletzt endgültig: Ab 1906 ist Marie von Seydewitz im Adreßbuch der Residenz- und Universitätsstadt Jena nachgewiesen,3 die Baroness selbst ist dort allerdings erstmals 1914 neben ihrer Mutter vermerkt. Aus den dazwischen liegenden Jahren ist kaum etwas über sie bekannt. Sie war wohl ein frühes Mitglied der 1894 gegründeten Society of Women Writers and Journalists und hat möglicherweise wie ihr Vater Medizin studiert, diesen Beruf jedoch nicht ausgeübt.41911 nahm sie in London (als Hörerin) an dem First Universal Races Congress teil (s.u.), 1913 übersetzte sie Vorlesungen des in Jena ansässigen Philosophen Rudolf Eucken, die dieser Anfang des Jahres an der New York University gehalten hatte, für deren Publikation ins Englische.5

Ab einem unbestimmten Zeitpunkt muss sie zunächst zeitweise im englischen Brighton (Sussex) gelebt haben,6 wo sie mit der walisischen Ärztin und Sozialreformerin Frances Hoggan (1843–1927), die dort ihren Lebensabend verbrachte,7 nähere Bekanntschaft schloss; Hoggan setzte Margaret von Seydewitz als ihre Haupterbin ein,8 was eine gewisse Vertrautheit voraussetzt. Im Zusammenhang mit der Verwaltung des Nachlasses wandte sich die Baroness an den amerikanischen Menschenrechtler W.E.B. Du Bois (The Souls of Black Folk, 1903), mit dem Hoggan in regem Kontakt gestanden und den Seydewitz wohl auch selbst kurz kennen gelernt hatte: “You probably do not remember me, as you only saw me once in 1910 [recte: 1911], when you were in London for the Races congress. But I have heard so much about you […] from our dear friend Dr. Frances Hoggan […]. She always passed the “Crisis”9 on to me and I miss it very much now that she has gone. I am much interested myself in everything leading to a better understanding between men and women of different nationality and colour. Years ago [1914] you published a little poem of mine called “Universal Brotherhood” in the “Crisis”.” 10 Sowohl Frances Hoggan als auch Rudolf Eucken hatten ebenfalls an dem Londoner Kongress teilgenommen.11

Während ihrer Zeit in England verdiente sich Margaret von Seydewitz ihren Lebensunterhalt mit literarischen Werken: “school books and readers for German children learning English. Much of this work is in collaboration with German school-masters and professors”.12 Dazu gehören u.a. Learning English. English Life and Thought (1928), Happy Animals (1929), Heroes of the Antarctic (1930), The Call of Mount Everest (1932), Stories from Bearland (1935) und British Girls, who Became Famous (1940). Von ihrem Protegé, der seinerzeit populären Kinderbuchautorin Winifred Mary Jakobsson alias Winifred Norling (1905–1979), gab sie Real Ladies (2. Auflage 1933), wie alle anderen genannten Bücher, bei B.G. Teubner in Berlin heraus. “Befriended as a young woman by the Baroness Marie Anna Sophie Margrete von Seydewitz, Jakobsson lived with von Seydewitz for a time in Germany, before the two women returned to England in 1930, settling in Kemptown, Brighton.” 13 Darüber hinaus verfasste Margaret von Seydewitz mehrere »Lebensbilder«, die bei Cambridge University Press in der Reihe »Great Germans« wiederum in deutscher Sprache erschienen: Martin Luther (1936), Bismarck (1937), Schiller (1937) und Königin Luise (1940). Über ihr Leben nach dem 2. Weltkrieg ist nichts Näheres bekannt; sie lebte offenbar recht zurückgezogen.14 Margaret von Seydewitz starb am 27. März 1960 in Brighton.


1
Diese Angaben beruhen auf Informationen von Cherry Milson (2019), die ab Ende 1954 eine Nachbarin von Margaret von Seydewitz in Brighton war und deren Eltern die Nachlassverwalter von Margarets Gefährtin Winifred Norling waren. Im Nachlass der Baroness befindet sich demnach ein Gedicht über den Tod eines achtjährigen Jungen. – Auch das Verzeichnis Lincolnshire Baptisms (laut www.findmypast.com) gibt für das Jahr 1890 in Thimbleby die Taufe einer 1871 geborenen Marie Anna Sophie Margaretie von Seydewitz an (die Schreibweise des letzten Vornamens unterliegt wohl einem Irrtum). Die Taufe fand vermutlich in der Kirche St. Margaret statt.
2
Baron Paul von Seydewitz arbeitete zu jener Zeit als Senior Physician am East London Hospital for Sick Children, and Dispensary for Women (vgl. Transactions of the Obstetrical Society of London vol. XIV [1872]) und veröffentlichte in der April-Ausgabe des Jahres 1884 von The NEW ORLEANS Medical and Surgical Journal einen Artikel »On Degeneracies and the Alleged Increase of Mental Disease and its Causes« (S. 739–764). Laut einem Nachruf (ebda., April 1901, S. 632f.) bewahrte er »silence regarding his past«.
3
Ausdrücklich als Witwe. – Gemäß dem Index To Register Of Passport Applications 1851–1903 (www.findmypast.com) könnte Marie von Seydewitz im Jahr 1903, eventuell gemeinsam mit ihrer Tochter, das Land in Richtung Kontinentaleuropa verlassen haben.
4
Gemäß Informationen von Cherry Milson (wie Nachweis 1).
5
Ethics and Modern Thought. A Theory of Their Relations. The Deems Lectures, New York 1913. – Rudolf Eucken wohnte in der Botzstraße 5 und damit nur wenige Häuser entfernt von Mutter und spätestens ab 1914 auch Tochter von Seydewitz (Schaefferstraße 1).
6
Im Amtlichen Adressbuch der Stadt Jena (erschien alle zwei Jahre) ist sie noch bis zur Ausgabe für 1929 (inkl.) mit Wohnsitz Schaefferstraße 1 angegeben. Ihre Mutter ist zuletzt 1921 nachgewiesen; sie starb am 8. Februar 1923.
7
Jenkins, B., (2016). HOGGAN [née Morgan], FRANCES ELIZABETH (1843–1927), physician and social reformer. Dictionary of Welsh Biography. Retrieved 28 Jun 2019, from https://biography.wales/article/s11-HOGG-ELI-1843.
8
»Frances wrote her will on 25 May 1926: From an estate of just under £3000 she left £1100 to Margret von Seydewitz« (Neil McIntyre, »Britain’s First Medical Marriage: Frances Morgan, George Hoggan and the mysterious ‘Elsie’«, in The Transactions of the Honourable Society of Cymmrodorion Vol. 13 [2007], S. 174).
9
The Crisis ist ein bis heute erscheinendes Journal der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), 1910 gegründet u.a. von Du Bois, der bis 1934 sein Herausgeber war.
10
Brief vom 13. Oktober 1927, W. E. B. Du Bois Papers (MS 312) Special Collections and University Archives, University of Massachusetts Amherst Libraries. – Das erwähnte Gedicht erschien in The Crisis Vol. 7, Nr. 5 (März 1914), S. 226: »Universal Brotherhood || Clasp hands across the sea, brothers, | Clasp hands across the sea. | We’re brown and white and black, brothers; | What matters which it be? | We all are sons of God, brothers, | Joint workers for the good, | With hearts united, beating | In human brotherhood.«
11
Frances Hoggan hielt den Vortrag »The Negro Problem in Relation to White Women«; möglicherweise hatte Margaret von Seydewitz sie und auch Eucken, der Mitglied des Hon. General Committee war, bei dieser Gelegenheit bereits kennengelernt.
12
Brief vom 9. Dezember 1927 an Du Bois, W. E. B. Du Bois Papers (MS 312) Special Collections and University Archives, University of Massachusetts Amherst Libraries.
14
Gemäß Informationen von Cherry Milson (wie Nachweis 1): »When I knew her, she seemed a very old lady, in comparison to people of the same age today. She never seemed to leave home, but occasionally would come & talk to us over the garden wall. Winifred we saw a lot more of & she & my mother would sometimes go out on a day trip somewhere together.«
Margaret von Seydewitz (Aufnahme undatiert, vor
                        1914); Widmung umseitig: »Meinem lieben kleinen „Privatsekretär“ Ilse Heller, in Anerkennung treuer Dienste von ihrem alten „Professor“ . Jena, im Okt. 1916.« – Fotografie von Adolph Richter, Leipzig-Lindenau; Exemplar: Max-Reger-Institut, Karlsruhe.
Margaret von Seydewitz (Aufnahme undatiert, vor 1914); Widmung umseitig: »Meinem lieben kleinen „Privatsekretär“ Ilse Heller, in Anerkennung treuer Dienste von ihrem alten „Professor“ Margaret von Seydewitz. Jena, im Okt. 1916.« – Fotografie von Adolph Richter, Leipzig-Lindenau; Exemplar: Max-Reger-Institut, Karlsruhe.

1. Reger-Bezug

Als der Jenaer Universitätsmusikdirektor Fritz Stein 1914 zum Nachfolger Regers als Meininger Hofkapellmeister berufen wurde, plante der von ihm gegründete Akademische Chor für den 16. Juli eine Abschiedsfeier, zu der Reger als Überraschung die Vertonung eines passenden Gedichts aus der Feder von dessen Mitglied Margaret von Seydewitz beisteuern sollte (Abschiedslied WoO VI/27). Mit dem Chor war Reger aufgrund wenigstens dreier Konzerte (1908 und 1911), bei denen er anwesend war,1 bekannt. Der Kontakt zur Baroness bestand ebenfalls schon länger, fragte Reger sie doch 1912 für eine von ihm geleitete Aufführung von Philipp Wolfrums Weihnachtsmysterium in Meiningen an. Die Formulierung, er müsse sie bitten, “diesmal sich mit einer Auslagenvergütung […] zu begnügen” (Brief vom 15. April 1912), lässt vermuten, dass dies nicht die erste Zusammenarbeit gewesen wäre.

Von lediglich einem weiteren Schreiben Regers vom 12. August 1915 an “Frau von Seydewitz” ist der Inhalt nur auszugsweise bekannt und bleibt ohne Wissen um dessen Anlass unverständlich: “… Immer noch nicht haben Sie das bewußte eiserne Gitter an Ihrem Balkon machen lassen obwohl ich mir schon 2× erlaubte, Sie daran zu erinnern …” 2

Elsa Reger berichtet ausführlich über die Bekanntschaft: “Mit Frau Marie von Seydewitz, einer Klara Schumann-Schülerin, und deren Tochter Margret, welche wir bei Geheimrat Biedermann kennengelernt hatten,Note: Dr. Wilhelm Biedermann, seines Zeichens Geheimer Hofrat, Universitätsprofessor und Direktor der Physiologischen Anstalt (Adreßbuch der Residenz- und Universitäts-Stadt Jena, Kriegsausgabe 1915/16), war als Mitglied der Konzertkommission der Akademischen Konzerte in Jena (Stein-Briefe, S. 123, Fußnote 8) wiederum mit Fritz Stein bekannt und wohnte (Botzstraße 4) als Nachbar Rudolf Euckens (vgl. Nachweis 5) ebenfalls in mittelbarer Nähe von Mutter und Tochter von Seydewitz. Reger hatte Ende Mai 1908 anlässlich der Feierlichkeiten zum 350-jährigen Jubiläum der Universität Jena sowie der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät bei Biedermann Aufnahme gefunden. Und wie Stein und Eucken sowie Roderich Stintzing gehörte auch Biedermann, von Reger persönlich darum gebeten (vgl. Brief vom 24. Juni 1909), 1910 zum Komitee des Dortmunder Reger-Fests. erwuchs eine tiefe Freundschaft zwischen uns drei Frauen.” 3 Gemeinsam mit der Baroness veranstaltete sie Ende 1915 “zum Besten für die Cäcilienhilfe in Berlin und für unser Jenaer Säuglingsheim ein Märchenspiel”,4 bei dem neben Margaret von Seydewitz (als eine alte Bäuerin) auch Christa (als Rotkäppchen) und Lotti Reger (als Goldmarie) mitwirkten. In eben diesem Heim standen an Weihnachten 1915 zudem bei “einem kleinen Jungen […] mein Mann, Fräulein von Seydewitz und ich Pate”.5 Die beiden Freundinnen engagierten sich u.a. auch für die Kriegsblindenhilfe und organisierten am 14. November 1917 unter Mitwirkung von Fritz Busch ein Benefizkonzert, bei dem auch Kriegsopfer, ein Vorspiel in einem Akt von Margaret von Seydewitz, aufgeführt wurde und bei dem die Adoptivtöchter Regers erneut Rollen übernahmen.

Margaret von Seydewitz in  (1917); Fotoalbum Elsa Regers, Max-Reger-Institut, Karlsruhe.
Margaret von Seydewitz in Kriegsopfer (1917); Fotoalbum Elsa Regers, Max-Reger-Institut, Karlsruhe.

Kurz vor Regers Tod “hatte unsere verehrte Frau von Seydewitz Geburtstag [8. Mai 1916], die wir besuchten. Reger spielte ihr aus den „Träumen am Kamin“ [op. 143] vor und erzählte von dem wundervollen Heimgang der lieben Großmutter Senfter; sie sei eingeschlafen, während sie die Zeitung im Bett gelesen, ohne Schmerzen und Kampf. Mein Freundin Margret, die uns zum Abschied hinausgeleitete, stand oben an der Treppe. Da wandte sich Reger noch mal um zu ihr und sagte: „Ach, wer’s doch auch einmal so gut hätte, wie die Großmutter Senfter!“” 6 Als Elsa an Regers Todestag “in Leipzig ausstieg und bleichen Gesichtes Erika und Margret auf mich zukamen, da wußte ich, es war etwas Furchtbares geschehen. […] Ich geleitete den Sarg meines Mannes mit meiner Freundin Margret im Zuge nach Jena, dort erwarteten mich Euckens, und wir begleiteten den Sarg auf den Friedhof.” 7 Die Baroness war Elsa in der Zeit der Trauer offenbar eine wertvolle Stütze: “Bald nach dieser schönen Feier [in Jena] rief mich Philipp Wolfrum zu einem Regerrequiem nach Heidelberg. Sowohl zu dieser, als wie später zu der wundervollen Gedächtnisfeier von Georg Stolz nach Chemnitz, begleitete mich meine Freundin Margret von Seydewitz. […] Da sich damals bei mir häufige Ohnmachten einstellten, die mich in jenem ersten Jahr fast nach jeder Regerfeier befielen, war ich dankbar für die Begleitung von Fräulein von Seydewitz.” 8 Und auch bei einem weiteren schweren Gang war die Baroness an ihrer Seite: “Am 11. Mai 1922 sollte Regers Urne in das mir von der Stadt Weimar gestellte Ehrengrab versenkt werden. Einige Tage vorher brachte ich die Urne in meinen Armen tragend in Begleitung meiner Freundin Margret von Seydewitz, Christa und Lotti nach Weimar.” 9

Zwei Monate nach Regers Tod erschien von Margaret von Seydewitz der rückblickende Artikel »Max Reger im eigenen Heim« in der Neuen Musik-Zeitung.


1
Am 31. Juli 1908 in der Stadtkirche (Festgottesdienst mit Uraufführung des 1. Teils des 100. Psalms op. 106) bzw. der Universität (Einweihungsfeier des neuen Universitätsgebäudes mit Uraufführung des Weihegesangs WoO V/6) und am 13. Februar 1911 vermutlich im Volkshaus (vollständige Aufführung des 100. Psalms op. 106).
2
Letzter Nachweis: Autographenhandlung J.A. Stargardt, Berlin, Katalog 695, April 2011, Los 576. Bei der Adressatin handelt es sich höchstwahrscheinlich um die Mutter. Die im Katalog geäußerte Vermutung, dass diese zugleich Regers Vermieterin gewesen sei, ist abwegig, zumal Reger seine Villa gekauft hatte und dort allein mit seiner Familie lebte.
3
4
Ebda., S. 146. – Märchenerscheinungen im Kindertraum von Gertrud Lipschitz. Aufführungen waren am 28. und 30. Dezember im Rosensaal, Marie von Seydewitz spielte Klavier.
5
Ebda., S. 147.
6
Ebda., S. 150. – Die Enkelin Johanna Senfter hatte ab 1908 zwei Jahre bei Reger in Leipzig studiert, die beiden Familien blieben bis zu Regers Tod in freundschaftlichem Kontakt.
7
Ebda., S. 153f.
8
Ebda., S. 161.
9
Ebda., S. 180.
Object reference

Margaret von Seydewitz, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_01514.html, last check: 29th April 2024.

Information

This is an object entry from the RWA encyclopaedia. Links and references to other objects within the encyclopaedia are currently not all active. These will be successively activated.