May 1902 [day unknown]

Max Reger to Elsa Reger

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Letter
Date
May 1902 [day unknown]

Datierung nicht zu ermitteln, wohl Ende Mai 1902

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-
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privately owned

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  • Max Reger
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Incipit

Regesta
Remarks

Seiten 1–6 des Briefes fehlen

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Publications

1.

[S. 1–6 fehlen]

Es ist schade, daß Eugen Spitzweg immer noch krank ist; nämlich sein Bruder, der jetzt einstweilen das Geschäft führt, ist ein rechter Philister; dieser Bruder wäre im Stande aus „Feigheit“ vor neuen Unternehmungen seinen ganzen Verlag zu vernachlässigen! Der Bruch mit R. Strauss ist Grund der Krankheit von Eugen Spitzweg! Gut, dann hätten die Herren eben dann die Sache anders betreiben sollen! Es war skandalös geradezu, wie sie den Strauss in Bezug auf Honorare drückten! Und jetzt wundern sie sich, wenn Strauss von ihnen gegangen ist, weil er nicht nötig hat, sich so drücken zu lassen! Auch von mir werden sie eines Tages dieselbe Sache erleben – denn andere Verleger zahlen mir mehr! Und dann haben nämlich die Herren in manchen vielen Dingen da so einen unpraktischen Blick, daß z.B. sicher, wenn meine Werke in einem anderen Verlag erschienen wären, ich mindestens 3x so bekannt wäre! Spitzwegs haben im Verkehr mit den Musikalienhändlern sich „Eigenheiten“ zugelegt, daß jeder Musikalienhändler ungern bei ihnen bestellt – u. an wem geht’s aus: schließlich doch an mir! Aber alle Vorstellungen noch so dringend u. energisch nützen mir nichts – ich stütze mich nun nicht mehr auf Aibl allein – sondern auf mehr (5–6) Verleger – u. werden es nach u. nach immer mehr; dadurch gewinne ich Spitzweg’s gegenüber an Macht! Es ist doch z.B. ein Skandal, daß er mir vor 2 Jahren für mein BACH [op. 46] – 150 M bezahlt hat – heute bezahlt mir jeder 500 M dafür! Und an diesem Werke allein verdient er horrentes Geld! Aber, ich bin da nun anders geworden! Die Herren müssen bezahlen! u zwar immer   mehr! Und wie er’s mit Strauss machte, so möchte er es gar so gerne mit mir auch machen – aber Strauss hat mich schon gewarnt! Bitte alles à discretion!
O, Elsa, es ist schwer, wenn man in seinem Idealismus, in seinem so ernsten Streben für die Weiterentwicklung der Kunst, wo man sich so vielem Haß, so vieler Anfeindung, so viel Mißgunst etc etc. aussetzt, nur in dem Bestreben, stets nur Gutes zu schaffen, – wenn man da sehen muß, diesen Herren, die sich gemästet an dem unglaublichen Gelde, das die Herren Verleger an den uns vorausgegangenen Komponisten, die sie natürlich auch „gedrückt“ haben, daß es diesen Herren nicht im Mindesten darum zu thun ist, daß unsere Kunst sich weiterentwickelt, sondern nur darum, ihren eigenen Geldbeutel zu füllen – auf unsere Kosten!
Schau, wenn ich z.B. für 16 Lieder [op. 62] z.B. nun 700 M erhalte – dann arbeite ich fast ein[en] Monat (kann ich nebenbei noch 100–200 M sicher verdienen) – ist denn das bezahlt?
Haben die Herren denn eine leiseste Ahnung, was es uns, mir für ein Stück meines Lebens, meiner Nerven kosten muß, wenn man nach dem, was heutzutage alles schon komponiert vorliegt – es ist enorm – da noch neu zu sein! Und dazu das alleinige Verlagsrecht bis 30 Jahre nach meinem Tode! Und weißt Du, wenn einer was leistet, das haben die Herren gleich „los“! – Aber gedrückt muß dann der werden! Das reine Blutsaugersystem!
Und dabei habe ich noch rasendes Glück! Nun, ich kann auch sagen, daß mir an Fleiß wenig Menschen nachkommen! Aber doch: wann hab ich eine Erholung, wann ruhe ich aus in meiner rastlosen Arbeit, welche die anstrengendste Kopfarbeit ist, welche es überhaupt nur gibt!
Weißt Du Schatz, süß Mädel, dann das Bewußtsein – man ist sozusagen „vogelfrei“ – jeder noch so dumme Laffe hat das Recht mein Werk in der Öffentlichkeit so in den Schmutz zu ziehen etc – ich kann dagegen einfach nichts machen! Bedenkt man dazu den Stumpfsinn der Deutschen gerade in solchen Dingen – – o, ich sag es Dir offen – oft muß man da die Zähne zusammenbeißen u. mit einer wahren, inneren Wut ob solcher Kränkungen u. dem Muth, den einem nur eben das Wissen u. Können verleihen kann, wieder, wieder an die Arbeit gehen – u. man weiß ja, was für einen Lohn man erntet! „Die Deutschen sind ein Volk, das seine todten Meister „befestfrißt“ – so sagte Herr von Bülow!, der so viel geschmähte u. doch so herrliche Künstler, der sich um die Weiterbildung des deutschen Volkes solche enorme, durch 10000 Denkmäler nicht gut zu machende Verdienste erworben hat! O, ich begreife, warum er so bitter, so sarkastisch war – denn was hat man diesem Mann der stets in idealster Selbstlosigkeit nur das Beste wollte – alles angethan! Und was ist unsere deutsche Kunstgeschichte überhaupt – (Musik, Literatur, Malerei, Bildhauerei) – die deutsche Kunstgeschichte ist eine zum himmelschreiende Blamage für das deutsche Volk, eine solch mit raffiniertester Bosheit in Scene gesetzte Gemeinheit! Dies Urteil klingt scharf! – aber es ist wahr!
Z.B. der jetzige Kultusminister hat gefragt, wer jetzt in Bayern der bedeutendste Komponist ist; es wurde ihm zur Antwort gegeben: M. R! Glaubst Du denn, daß sich der Staat überhaupt nur um meine Existenz kümmert – o, ob ich verhungere – das ist ihnen ganz egal – aber wenn ich mal nach solch unsäglicher Müh u. Arbeit ein „berühmtes Thier“ bin – dann schmeißen sie einem einen Titel an den Hals, welchen selben Titel sie vorher an alle möglichen Ignoranten gegeben haben! Ist das denn keine Beleidigung! Dann soll sie der Teufel holen mit ihrem Titel!
Aber, süß Mädel, sei ohne alle Sorge, ohne alle Sorge; sorge Dich nicht; ich verliere den Mut nicht, ich lasse mich nicht beirren; ich überarbeite mich nicht! Aber gut, lieb, sehr gut u. sehr lieb mußt Du sein zu mir! Deine Liebe ist mir so, so, so, so unumgänglich notwendig; Dich zu verlieren, wäre das Schrecklichste, das Entsetzlichste, was mir je begegnen könnte! Sei also nicht erstaunt, wenn ich gar gar so sehr, so treuinnigst an Dir hänge u Dich gar so sehr, gar so sehr lieb habe!
Du bist meine Elsa u. mußt es immer bleiben.!
Gelt, mein süß Mädel!
Es freut mich sehr, wenn es Deiner Frau Mama nun besser geht; bitte von mir die besten Wünsche für ihre Gesundheit ihr zu sagen! Sage dann an Berthel & Tante beste Grüße u an erstere nochmals meinen verbindlichsten Dank!
Gelt, Dir geht’s nun auch immer gut! Überanstrenge Dich bitte, bitte, ja nicht!
Darf ich das nicht sagen: „mein süßes Bräutchen?“ O, ich ersehne mir so sehr die Zeit, wo ich es zu Dir sagen darf u. nochmehr ersehne ich mir die Zeit, in der ich zu Dir sagen darf: „mein allerliebstes Frauchen!“
Hab nochmals vielen, vielen, vielen Dank für Deinen Brief u. schreib mir recht, recht balde, u sehr, sehr viel!
Ach, u. auf das Bild freue ich mich halt gar so unendlich! Laß mich bitte, bitte, bitte, nicht allzulange warten!
Meine Eltern u. Schwester senden Dir beste Grüße!
(Wie gesagt, Emma hat den Brief nicht erhalten)
Lebewohl, denk an mich, sei immer lieb, sehr lieb zu mir! Und sei nicht böse, wenn ich Dir mein Geheimnis betr. meiner Photographie verraten habe – aber ich kann vor Dir kein Geheimnis haben!
Stets
Dein nur Dein
M.
Leb wohl, bleib immer recht gesund u. behalt mich recht lieb; ich hab Dich ja gar so gerne, gar so unendlich lieb hab ich Dich! Schreib mir recht balde, sehr, sehr viel u. sende mir aber halt baldigst Dein Bild! Bitte, bitte so sehr darum!

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Max Reger to Elsa Reger, May 1902 [day unknown], in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01014572.html, last check: 16th May 2024.

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